Die offiziellen Fotos der Fête des Vignerons 2019 ZUR OFFIZIELLEN WEBSEITE Winzerfest
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1. – 14. AUGUST 1955 : DER LEGENDÄRE “BOTE” EROBERT DIE SCHWEIZ

“Das Winzerfest soll seine zweifache Eigenschaft als Fest der Arbeit und Schauspiel von hohem künstlerischen Wert behalten […], wie seine Vorgänger soll es sowohl den Zuschauern als auch den Statisten als eine Feier von strahlender Schönheit und Einklang eines ganzen Volkes in Erinnerung bleiben.” Manual 9, 31.7.1952

Das vom Abbé Gétaz bereits 1944 erträumte Fest, das er als die eigentliche Bekundung der waadtländischen Volkskunst sah, wird sich als das weltoffenste Fest, das je in Vevey veranstaltet wurde, erweisen.

IST EIN WINZERFEST IMMER NOCH GERECHTFERTIGT ?

Hatte der zweite Weltkrieg die Schweizer, und vor allem die Bürger von Vevey, vergessen lassen, was das Winzerfest war? Die Gefahr bestand tatsächlich. Innerhalb von zwei, von einer schweren Wirtschaftskrise und einem Krieg geprägten Jahrzehnten hatte sich die Welt verändert. In der Mitte der fünfziger Jahre wurden Freizeitaktivitäten zur Gewohnheit, sowie eine grosse Auswahl an Schauspielen jeglicher Art. Radio, Film und auch Fernsehen gehörten fortan zum Alltag. Würde das Winzerfest in dieser neuen Umwelt noch seinen Platz finden? Die Räte zögerten, versuchten aber dennoch, sich davon zu überzeugen, dass der enorme finanzielle Aufwand, den die Gestaltung eines neuen Festes verlangen würde, die Mühe Wert wäre.

EIN OFFENES TOR ZUR WELT

Indessen war es unmöglich, dafür lediglich die welsche Schweiz zu interessieren. Man müsste die Deutschschweizer sowie die Ortsfremden anziehen. Die Strategie war eine doppelte: einerseits eine weit über die örtlichen Grenzen geführte Propaganda, andererseits das Appellieren an internationale Künstler. Zu den zwei Waadtländern Carlo Hemmerling und Geo-H. Blanc, die für die welsche Authentizität der Veranstaltung einstanden, wurden der Franzose Maurice Lehmann, Verwalter der Réunion des Théâtres lyriques nationaux de Paris, für die künstlerische Leitung, und der Zürcher Oscar Eberlé für die Inszenierung hinzugezogen. Man appellierte auch an die Garde Républicaine von Paris, an drei Solotänzer der Pariser Oper, an Berufssänger… Noch nie war das Winzerfest so offensichtlich nach aussen gerichtet: man versuchte “… aus dem waadtländischen Fest ein Schauspiel von internationaler Reichweite zu schaffen” (Oscar Eberlé). Es wurde glanzvoll, “professionell”, von hohem künstlerischen Niveau, doch so manche bedauerten den Verlust einer gewissen waadtländischen Authentizität angesichts dieser massiven Präsenz von auswärtigen Beiträgen.

LE MESSAGER BOITEUX

In diesem Zusammenhang ist der Beitrag des “Messager Boiteux” äusserst bedeutsam. In einer Welt, in der die traditionellen Werte durcheinandergeraten, symbolisiert allein Samuel Burnand, der dem legendären Boten von Vevey wahrlich seine Gestalt wiedergab, indem er seine Prothese durch ein Holzbein ersetzte, das Festhalten der Stadt an ihrer festlichen Tradition. Als Herold des Festes trug er die gute Nachricht der Festverkündung bis nach Bern, wo er mit der Einladung der eidgenössischen Behörden beauftragt war. Zu Fuss legte er die bejubelte Strecke von Bern nach Vevey zurück.

DAS WINZERFEST IST EIN ERFOLG

Nach einem etwas zögerlichen Beginn, mit nicht voll besetzer Arena, kam das Winzerfest zu einem spektakulären Erfolg. Man strömte von überall aus der Schweiz – und sogar aus der Welt – nach Vevey. Um der Begeisterung der Zuschauer entgegenzukommen mussten zusätzliche Vorstellungen organisiert werden. Fortgeschrittene Beleuchtungstechnik ermöglichte es 1955 zum ersten Mal, auch Nachtvorstellungen zu  veranstalten.

SCHAUSPIEL

Präsident: David Dénéréaz
Inszenierung: Oscar Eberlé
Musik: Carlo Hemmerling
Libretto: Géo H. Blanc
Kostüme: Henri-Raymond Fost
Choreographie: Nicolas Zwereff
Künstlerischer Leiter: Maurice Lehmann, administrateur de la Réunion des Théâtres lyriques nationaux, Paris

GEKRÖNTE WINZER

Alfred Isoz
Louis Chassot
Charles Perrottet und Söhne
Adrien Genet-Porchet (verstorben, zu seinem Andenken wurde seine Witwe gekrönt), (sowie 44 ausgezeichnete und prämierte Winzer)

ARENA UND BÜHNENBILD

Ovales Amphitheater (um sich selbst geschlossener Kreis der immer wiederkehrenden Jahreszeiten), Bühnentreppe auf der Seeseite, die zu einem in 3 für die Gottheiten (Olymp) bestimmten Räume geteilten Portikus führte, über dem die Wahrzeichen der jeweiligen Götter leuchteten.

Arena: Tätigkeitsfeld der Menschen auf Erden; also gibt es zwei verschiedene, das Himmlische vom Irdischen trennende Plätze.
16’000 Plätze
Vom Fest von 1833 (Zeitalter der Romantik) inspirierte Kostüme.

EIGEN- UND NEUARTIGKEITEN

Lebendige Weinrebe in der Arena: Reben tragende Kinder.
Schaubild des Frosts: Kampf des Winzers gegen den Frost (Frühjahr)
Schaubild der Krankheiten: Kampf gegen die Schädlinge (Sommer), von einer beruflichen Ballettgruppe ausgeführt
Die Felder erwachen zum Leben: 150 Furchen-Kinder
Winter-Dionysos
Ceres mit Phoebus und seinen Strahlen, die “Sonnen-Bogenschützen”
3 Solotänzer der Pariser Oper: Michel Renault, Nina Wyroubova, Max Bozzoni, sowie ein Schweizer Berufsballett. Berufssänger (Hohe Priester, Hohe Priesterin, Sämann)
Harmonie de la Garde Républicaine, Paris
Nachtvorstellungen im Licht der Projektoren
Die Statisten strömen nicht mehr schon von dem Prolog an in die Arena, wie es von 1797 bis 1927 der Fall war.

DAS FEST IN ZAHLEN

3’857 Statisten
11 Vorstellungen
2 Umzüge von je 5,2 km, 1 Umzug von 3,2 km Länge
Die Plätze kosten von 10 bis 70 Franken
Das Fest kostete 4’695’229 Franken
Ertrag: 1’204’927 Franken
Garantiekapital: 1’271’500 Franken

MESSAGER_BOITEUX

Samuel Burnand in der Rolle des “Messager boiteux” während des Winzerfestes 1955
ARENES_1955
Gleich einer fliegenden Untertasse scheint sich die Arena des Winzerfestes 1955 auf den grossen Platz von Vevey gesetzt zu haben

SCENE_AUTOMNE

Herbst-Szene: die Weinpresse, Winzerfest 1955
CERES_CHAR
Ceres und ihr Wagen, von den legendären, speziell für das Fest aufgezogenen Ochsen gezogen, im Umzug vom Winzerfest 1955
PREMIERE_NOCTURNE
1955 ermöglichte der technische Fortschritt erstmals Nachtvorstellungen 

PRINTEMPS_PALES

Frühlings-Szene: Palas schreitet auf den Stufen der Bühnentreppe empor, Winzerfest 1955