4., 5., 7., 8. UND 9. AUGUST 1905 : EIN VEREINIGTES SPIEL
Morax und Doret in vollem Einklang
Das Winzerfest von 1905 ist das von René Morax und Gustave Doret. Der Dichter und der Musiker vollbringen voll und ganz, zum ersten Mal, das künstlerische Ideal des Winzerfestes:
“… (es) war wirklich die Feier eines ganzen, verbundenen Volkes, nicht nur um die Weinbauarbeit, sondern auch die immense Schönheit seines Landes zu preisen. Der Weg zwischen den Weinreben ist zu jener Königsstrasse geworden, auf der ein ganzes Volk, wie zu den antiken Zeiten der Triumphmärsche, den Götterwagen und dem Umzug der gekrönten Winzer folgt.”
René Morax, in “Ch. Apothéloz, Geschichte und Sagen des Winzerfestes”, Le Cep et la Rose
Der Endpunkt der Feste des 19. Jahrhunderts
Als Dichter und Theaterregisseur ist René Morax der erste, der einen Spielplan des Festes gestaltet und seinen Handlungsablauf entwirft. Die Feste des 19. Jahrhunderts waren dadurch, dass mehrere Autoren daran arbeiteten, lediglich Mosaïken. Das Fest von 1905 ist von Anfang bis Ende kohärent. Die ganze Vorstellung spielt sich auf dem Marktplatz ab, wodurch es sich vom Umzug unterscheidet, der nicht mehr viel mit den Paraden des 18. oder den Tanzumzügen des 19. Jahrhunderts gemeinsam hat.
L’hiver ouvre la Fête
Morax eröffnet seine Feier mit dem Winter. In den Mythen des Alten Testaments ist der Rebstock das Symbol der Jahreszeiten und des Weinbaujahrs, das im Winter beginnt. So respektiert Morax den biblischen Mythos der ewig wiederkehrenden Jahreszeiten und verleiht dem Fest eine christliche Symbolik.
Gustave Doret : ein volkstümlicher Hauch
Die Musik, von Moraxs Poesie getragen, ist eine prachtvolle künstlerische Garbe. Die Ausführung von Dorets Partitur versammelt um die achttausend Chorsänger und Instrumentalisten. Der Winter-Akt von 1905 beinhaltet einen Chor, der den “Schlaf der Erde” schildert, eines der bemerkenswertesten Musikstücke von Gustave Doret.
Der Sinn fürs Detail
So als bemühe man sich zu mehr Authentizität, werden die Frauen endlich ohne Einschränkungen aufgenommen: die Bacchantinnen erscheinen in Gestalt charmanter junger Mädchen. Zum ersten Mal wird von den Estraden aus ein Film gedreht, und auch Amateurfotografen sind zur Stelle. Im Februar 1906, dank des erzielten Ertrags, übertrug die Bruderschaft den Statisten 40% des Werts der Kostüme.
SCHAUSPIEL
Präsident: Emile Gaudard
Inszenierung: René Morax
Musik: Gustave Doret
Libretto:René Morax, erster wahrer Dichter, erster Autor, der für das Fest einen Plan entwirft,ein Libretto schreibt und nicht eine “Mosaik” zusammenstellt
Kostüme: Jean Morax
GEKRÖNTE WINZER
Louis Chessex und Louis Curchod (sowie 61 ausgezeichnete und prämierte Winzer)
ARENA UND BÜHNENBILD
Antiker Tempel im neo-klassischen Stil
Autel des 3 divinités
3 durch Säulengänge verbundene Tore
Hufeisen
Zentraler, höher als die Seitentribünen aufgebauter Block
12’500 Plätze
EIGEN- UND NEUARTIGKEITEN
Verschiebung des Jahreszeitenkreislaufs: das Schauspiel beginnt mit dem Winter und endet mit dem Herbst
Sakrale Zelebration der Arbeiten und der Tage
Kuhhirten im Sommer
Neue Figuren: die Alten; die Spinnerinnen, die Schweizer- und Kantonsbanner in der Arena
Die Bacchantinnen sind Frauen
5 Blaskapellen und zum ersten Mal die Basler Pfeifer und Tambouren
1 Orchester, u.a. von 2 Militärmusikgruppen und 12 Harfen zusammengestellt
Der Umzug hat nichts mehr mit dem Schauspiel selbst zu tun
DAS FEST IN ZAHLEN
1’800 Statisten
6 Vorstellungen und 2 Umzüge
Die Plätze kosten von 2 bis 15 Franken
Das Fest kostete 625’338 Franken
Ertrag: 40’664.70 Franken