5., 6., 8. UND 9. AUGUST 1889 : DIE ALM IM MITTELPUNKT DER STADT
“P. Currat hat den “Ranz des vaches” (Kuhreigen) wunderbar gesungen. Ruhigen Schrittes, die Pfeife im Mund, ist er vor die Estraden getreten, und schon bei den ersten Tönen waren alle ergriffen. […] Das Lioba stieg kraftvoll auf, melancholisch, erdentrückt, sanft in der grossen Arena; Augen wurden feucht; man empfand dieses so seltene und flüchtige Gefühl einer vollkommenen Schönheit.”
“[…] die schönen schwarz-weissen Freiburger Kühe, paarweise von echten Kuhhirten geführt, die Arme von der Sonne versengt, im Geläute der grossen Kuhglocken. […] Der Umzug bleibt vor der Ehrentribüne stehen, und während man sämtliche Arbeiten auf der Alm simuliert, singt Currat den “Ranz des vaches”, wie nur er ihn singen kann. Seine Stimme, gleichermassen sanft und kraftvoll, von einem etwas melancholischen Klang, erhebt sich mühelos und trägt das Lioba bis zu den höchsten Rängen des Amphitheaters. Ist es eine zu ihrem Höhepunkt gebrachte Kunst, ist es eine Kunst ohne Kunst?” Das Winzerfest von 1889, Vevey, 1889, Auszüge aus der “Gazette de Lausanne”, 5. und 12. August 1889
Die den “Ranz des vaches” singenden Senner sind seit 1819 Teil der Winzerfeste. Doch erst 1889 gibt ihn einer von ihnen als Solosänger in der Arena wieder, was in der Zuschauermenge starke Emotionen auslöst. Seitdem gehört die Interpretation des “Ranz des vaches” durch einen einzigen Senner zu den Höhepunkten des Festes.
Was haben denn diese vierschrötigen Gebirgler im Mittelpunkt der Arena zu suchen?
Sie symbolisieren die enge Verbindung, die die Bürger von Vevey seit jeher mit ihren Nachbarn der Freiburger Veveyse gepflegt haben. Die Kühe aus dem Umkreis von Vevey wurden für die Sommerung nach Les Paccots gebracht; die Rebpfähle kamen aus den Wäldern um Châtel-St-Denis herum; die für Genf oder Frankreich bestimmten Almkäse wurden im Hafen von Vevey verladen; auch wurden sie oft gegen Wein eingetauscht. Wenn die Senner am Ende des Sommers ins Tal zurückkehrten, kamen sie zu den Küsten des Genfersees, um dort als Büttenträger während der Weinlese eingestellt zu werden. Ihre Töchter und Frauen arbeiteten als Weinleserinnen.
SCHAUSPIEL
Präsident: Paul Cérésole
Inszenierung: Ernest Burnat
Musik: Hugo de Senger
Libretto: kollektiv
Kostüme: Paul Vallouy
Ballett: Benjamin Archinard
Auf die Vorstellung folgt ein Umzug, der nach und nach die traditionelle Parade ersetzt.
Bei jedem Halt führt eine der 4 Truppen einen Tanz aus.
GEKRÖNTE WINZER
Jules Balmat und François Pasche
(sowie 58 ausgezeichnete und prämierte Winzer)
ARENA UND BÜHNENBILD – TRIUMPHTORE, WIE 1865
12’000 Plätze
Kostüme im Stil des 18. Jahrhunderts (Frühling, Text und Musik von
J.-J. Rousseau, Hoftänze aus der Zeit von Marie-Antoinette)
EIGEN- UND NEUARTIGKEITEN
“Ranz des vaches” im Solo gesungen
5 Musikkapellen und 1 Orchester
Mehrere zusätzliche Wagen: Müller, Fassbinder, Weinpresse, Holzfäller
Man spricht bereits ab 1887 vom Fest
Man appellierte an Experten für Wetter und Mondumlaufzeiten, um das Datum des Festes festzulegen
DAS FEST IN ZAHLEN
1’379 Statisten
5 Vorstellungen
Die Plätze kosten von 2 bis 40 Franken
Ertrag: 52’810 Franken
Garantiefonds: 1’200 Aktien zu 50 Franken und 20’000 Franken von der Bruderschaft
Placide Currat, Solosänger des berühmten “Ranz des vaches” und Leiter der Senner, Winzerfest 1889
Der Wagen von Ceres im Umzug
Zahlreiche Journalisten wurden zum Fest von 1889 eingeladen. Trotz ihrer lobreichen Berichte blieb der Andrang fremder Touristen weit unter den hoffnungsvollen Erwartungen der Veranstalter
Ein Ess- und Trinkwarenausschuss übernimmt während jedes neuen Festes die Auswahl der offiziellen Weine